von Heidi Winkelmann
Stets hatte Floh, die braune Mischlingshündin, ihrem Herrn, dem Bauern Mehrwald treu gedient. Sie bellte mutig, wenn Fremde auf den Hof kamen und achtete auf die Kinder des Bauern, wennsie in der Nähe des kleinen Baches spielten. Einmal war es ihr sogar gelungen, mit lautem Gebelleinen Fuchs zu verjagen, bevor er in den Hühnerstall einbrechen konnte. Sie führte nicht gerade ein luxuriöses Leben, seit sie vor sechs Jahren als Welpe auf den Hof kam,aber sie konnte zufrieden sein. Im Stall fand sich immer ein warmes Plätzchen zum Schlafen imStroh, zu Fressen gab es auch genug, und ab und zu steckte ihr die Bäuerin einen Leckerbissen zu.Besonders liebte Floh die Kinder, die mit ihr tobten und spielten. Wenn die Zeit kam, dass Floh läufig wurde, sperrte sie die Bäuerin in den Auslauf zu den Hühnern.Doch diesmal hatte die Bäuerin nicht aufgepasst und Rex, der Hund von Bauern Lars hatte dieGelegenheit genutzt, und nun bekam Floh Babys. Die Wochen waren vergangen und irgendwann ließ sich das Missgeschick nicht mehrverheimlichen. Anfang November warf Floh fünf Welpen. Die Bäuerin hatte ihr eine Kiste in derwarmen Küche zurecht gemacht, und ihr der der Geburt beigestanden. Am Nachmittag kam der Bauer mit einem Korb, nahm die fünf Welpen, legte sie hinein undverließ die Küche. Floh war außer sich, warum nahm man ihr die Welpen weg, was sollte mitihnen geschehen? Sie schrie und winselte, bellte und sprang an der Bäuerin hoch. Doch diese sahsie nur traurig an, streichelte sie und gab ihr ein paar Leckerbissen. Floh wollte sich aber nichtberuhigen, sie rannte zur Tür und kratzte jaulend daran. Bis die Bäuerin sie dann nach einer Stundehinaus ließ. Floh lief umher und suchte, schaute in jede Ecke und schnupperte überall herum. Sie war soverzweifelt, doch sie konnte ihre Welpen nicht finden. Irgendwann trieb sie ihr Instinkt zumMisthaufen, und da lagen die Welpen. TOT! Der Bauer hatte sie alle getötet und dann dorthingeworfen. Floh sah ihre Welpen und leckte über ihre kleinen Körper. Auf einmal war ihr, als hätte einer derWelpen gezuckt, sie leckte nochmals und schnupperte. Tatsächlich, einer der Welpen schien nocham Leben zu sein. Sie nahm ihn vorsichtig ins Maul und trug ihn in den warmen Stall, in einen Ecke, wo sie sichmanchmal versteckte, um einen Knochen, den sie bekommen hatte, in Ruhe aufzufressen. Hierlagen ein paar alte Säcke und ein bisschen Stroh, auf das sie jetzt ihren Welpen legte. Viel Leben war nicht mehr in ihm. Er zuckte schwach, und ab und zu wimmerte er kaum hörbar.Floh leckte zärtlich über den kleinen, kalten Körper, bis er wieder ganz warm war. Dann legte siesich so zurecht, dass er an ihren Zitzen trinken konnte. Die Wärmer und die Nahrung ließen denWelpen wieder zu sich kommen. Bald schon trank er kräftig seine Milch. Floh war glücklich, aller Kummer war vergessen, sie hatte ein Baby. Zärtlich schaute sie denkleinen Rüden an; "Ich werde dich Niko nennen, denn bald ist Nikolaus und daran erinnere ichmich gerne." Beschenkte doch die Bäuerin alle Tiere des Hofes am Nikolausmorgen. Letztes Jahr gab es fürFloh ein neues Halsband und einen großen Hundekuchen. Floh liebte den kleinen Niko. So oft sie konnte war sie bei ihm. Hierbei musste sie immer sehrvorsichtig sein, denn niemand durfte merken, dass es Niko gab. Nach 14 Tagen merkte Flohglücklich: Niko öffnete seine Augen. Er konnte jetzt sehen und hören. Wie alle Mütter, so auchHundemütter, sang sie ihrem Sohn Lieder vor. Sie streichelte ihn mit ihrer Zunge, und als Niko dieersten Gehversuche machte, unterstützte sie ihn mit ihrer Schnauze. Floh war keine erfahrene Hundemutter, sonst hätte sie früher bemerkt, dass mit Niko etwas nichtstimmte. Er konnte sich auf den Vorderbeinen hochstemmen, doch die Hinterbeine gehorchten ihmnicht, nur die Schwanzspitze bewegte sich etwas, wenn er seine Mutter begrüßte. Floh ermunterte ihren Sohn, es immer wieder zu probieren, wobei sie ihm, soweit es ihr möglichwar, half. Irgendwann begriff sie, Niko würde nie laufen können. Floh war verzweifelt, sie weinteviel.
Die Tage vergingen, Niko wurde älter und fragte sie immer öfters: "Wie lange dauert es noch, bisich gehen und laufen kann, und wann gehst du mit mir hinaus?" Niko verbrachte seine Tage damit, aus seinem Versteck heraus die anderen Tiere zu beobachten.Gespannt lauschte er den Geschichten, die sie sich untereinander erzählten. Wenn Floh zu ihmnkam, bestürmte er sie immer mit tausend Fragen: "Mutter, was ist Gras - Mutter, was sind Blätter -Mutter was ist Schnee und Mutter, was ist Weihnachten und was ist ein Weihnachtsmann?" Floh beantwortete ihm so gut es ging seine Fragen. Einmal brachte sie ihm ein trockenes Blatt mit.Ein anderes mal hatte sie einen Schneeball im Maul. So lernte Niko durch Erzählungen dieAußenwelt kennen. Floh wollte es nicht wahrhaben, wie krank Niko wirklich war. Trotz ihrer Pflege und Zuwendungwurde er immer schwächer. So gerne sie es wollte, sie vermochte ihm nicht zu helfen. Es war Heilig Abend und die Bäuerin bedachte alle Tiere mit einem Geschenk. Floh schenkte sieeine neue Futterschüssel in der eine große Keule vom Gänsebraten lag. Floh dachte nur an Niko und wollte nicht in der warmen Stube unter dem Tannenbaum liegen. Siekratzte so lange an der Tür, bis die Kinder sie hinaus ließen. Sofort lief sie zu Niko in den Stall um ihm die Gänsekeule zu bringen. Aufgeregt erwartete Nikosie, seine Stimme überschlug sich, als er fragte: "Mutter wie sieht ein Tannenbaum aus, Muter wassind Kerzen, Mutter kennst du ein Weihnachtslied? Sing es mit bitte und erzähl mir eineWeihnachtsgeschichte." Als Floh das Lied "Stille Nacht" anschlug, sangen alle Tiere des Stalles mit. Es war ein fürchtigerChor. Es war eine feierliche Stimmung, und die Tiere beschlossen noch einige Geschichten zuerzählen. Es waren lustige Geschichten, und alle Tiere lachten laut. Als sich die Stimmung wieder beruhigthatte, erzählte Floh noch die Weihnachtsgeschichte. sie änderte die Geschichte nur ein klein wenigab. Niko zuliebe erzählte sie, dass ein Hund die Krippe mit dem Christuskind warm gehalten hatte. Niko hörte allen Geschichten aufmerksam zu. "Mutter", fragte er "kommt der Weihnachtsmannauch zu kleinen Hundekindern? Dürfen Hundekinder sich auch etwas vom Weihnachtsmannwünschen? Mutter, ich möchte so gerne laufen können und draußen spielen und Löcher graben.Meinst du, wenn ich ganz doll darum bitte, der Weihnachtsmann erfüllt mir meinen Wunsch?" Floh war es sehr schwer ums Herz und wie Mütter so sind, griff sie zu einer Notlüge: "Ja Niko,auch wenn Hundekinder sich etwas wünschen, kommt der Weihnachtsmann." Im Stall war Ruhe eingekehrt. Alle Tiere schliefen. Eng aneinander gekuschelt schliefen auch Niko und Floh ein. Floh - todunglücklich ihrem Sohnnicht helfen zu können, und Niko in freudiger Erwartung, dass der Weihnachtsmann ihm überNacht seinen Wunsch erfüllen würde. Irgendwas hatte Floh geweckt: die anderen Tiere im Stall waren auch erwacht. Floh schlägt dieAugen auf. Im Stall, ganz hoch oben unterm Dach, leuchtet ein kleiner Stern und seine Strahlenfallen auf Niko. Er hat seine Augen weit geöffnet und sein Gesicht strahlt vor Glück. Floh spricht ihn an, aber erscheint sie nicht zu hören Seine Vorderbeine bewegen sich, als liefe er über Felder, seine Ruteschlägt, er bellt, er winselt: "Mutter es ist so schön. Der Weihnachtsmann hat mich gestreichelt,und ich kann laufen. Ich laufe über die Wiese und jage Schmetterlinge, die Sonne scheint, dieVögel zwitschern, und die Blumen duften so wundervoll, es ist alles noch schöner als du es mirerzählt hast. Ich fühle mich so leicht, so glücklich, so zufrieden. Meine Beine - sieh doch, wieschnell ich laufen kann!" Floh weinte, sie sieht, wie in Nikos glücklichem Gesicht die Augen aufleuchten. Sein kleiner Kopfsinkt aufs Stroh. Der Stern erlischt. Es ist still im Stall. Nur ab und an hört man ein kleine Seufzen der anderenTiere. Floh schließt die Augen. Trotz ihrer Trauer weint sie nicht mehr.
Am Himmel fährt der Weihnachtsmann mit seinem - von sechs Rentieren gezogenen - Schlittendavon. Voran tobt, vor Freude und Übermut laut bellend, ein kleiner brauner Welpe. Um den Hals trägt er ein rotes Halsband auf dem geschrieben steht: "NIKO - GEHILFE DES WEIHNACHTSMANNES!
Liebe Karin,
AntwortenLöschendas ist eine sehr traurige Geschichte und mir rennen die Tränen übers Gesicht - auch wenn das Beschriebene leider der Lauf der Dinge ist.
Schöne Weihnachtsfeiertage,
Susanne
Liebe Karin,
AntwortenLöscheneine schöne aber traurige Geschichte
auch mir rennen die Tränen.
LG Moni
*hoil* ... ist das traurig!
AntwortenLöschenLG,
Pupe